Jk-11 - PREVIEW
nr-Jahreskonferenz 2011
Speakers | |
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Kurt Schrimm | |
Mod.: Manfred Ladwig |
Schedule | |
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Day | Freitag - 2011-07-01 |
Room | K7 |
Start time | 17:30 |
Duration | 01:00 |
Info | |
ID | 30 |
Track | Lessons: Rechercheberufe |
Language used for presentation | German |
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Rechercheberufe VII
Der Nazi-Fahnder
Leitfragen an Kurt Schrimm
Was unterscheidet die Recherche zu nationalsozialistischen Gewaltverbrechen gegenüber anderen Verbrechen?
- Bei „zeitnahen“ Verbrechen können die Ermittler überwiegend von einem feststehenden Sachverhalt ausgehen und sofort mit der Suche nach dem Täter beginnen. Es wird ein Toter aufgefunden, eine Bank überfallen, eine Frau vergewaltigt. In den meisten Fällen finden sich am Tatort Spuren, die ausgewertet werden können, im Idealfall Zeugen, die das Geschehen als solches beobachtet haben, ein mögliches Motiv, das zum Täter führen kann. Anders bei NS-Verbrechen: Die Verbrechen liegen Jahrzehnte zurück. Spuren existieren nicht mehr, ganz selten Dokumente. Bevor mit der Suche nach dem Täter begonnen werden kann, muss zuerst ermittelt werden, was überhaupt geschah. (Wenige) evtl. vorhandene Zeugen müssen über Dinge berichten, die nunmehr über 65 Jahre zurückliegen.
Wie sammeln Sie Ihre Informationen?
- Unsere Informationen sammeln wir teils selbst, teils beauftragen wir hiermit die zuständigen Polizeibehörden. Wir versuchen natürlich, Zeugen zu finden und uns allgemeines geschichtliches Wissen zueigen zu machen. In den übrigen Fällen sind wir weitgehend auf Archive angewiesen. Vgl. hierzu meine Ausführungen unter 5.
Was bedeutet fallbezogene Recherche?
- Darunter sind Ermittlungen zu verstehen, die auf Grund eines sogenannten „Anfangsverdachts“ eingeleitet werden. D.h., wenn uns ein Verdacht gegen eine bestimmte Person, einen bestimmten Personenkreis oder hinsichtlich eines bestimmten Tatgeschehens bekannt wird, ermitteln wir gezielt in diese Richtung. Dabei spielt es keine Rolle, wie dieser Verdacht an uns herangetragen wird. Es kann sich um eine gezielte (auch anonyme) Anzeige handeln, um eine Zeugenaussage in anderer Sache oder auch nur um eine Zeitungsmeldung.
Wie finden Sie Zeitzeugen?
- Das Auffinden von Zeitzeugen wird naturgemäß von Jahr zu Jahr schwieriger. Im Idealfall gibt es schon im Rahmen der Anzeige Hinweis auf Zeugen. Tauchen Namen von Zeugen in Protokollen auf, die vor vielen Jahrzehnten aufgenommen wurden, ist es oft von vornherein aussichtslos, diese zu finden, zumal es in Deutschland kein Zentrales Melderegister gibt. Ansonsten ist unsere Fantasie gefragt. In einem bedeutenden Fall gelang es in den Vereinigten Staaten, zahlreiche jüdische Zeugen durch Aufrufe in jüdischen Presseorganen zu finden.
Was sind Ihre Quellen?
- Unsere Quellen sind vielfältig und können hier nicht abschließend aufgezählt werden. Wichtigste Quellen heute sind vor allem ausländische Archive. In den Staaten der ehemaligen Sowjetunion sind dies vor allem Akten aus den 40er Jahre, die Prozesse gegen deutsche Kriegsgefangene und sowjetische Kollaborateure dokumentieren und aus denen wir uns Hinweise auf Straftaten und Täter erwarten. In Südamerika durchforsten wir nach bestimmten Suchkriterien Einwanderungs- und Einbürgerungsakten. In Deutschland forschen wir vor allem im Militärarchiv, hier sind z.B. die Kriegstagebücher von großem Interesse. In einigen Staaten finden sich sogenannte Beuteakten, also deutsche Originalakten, die den Siegern bei Kriegsende in die Hände fielen. Immer wieder überraschend auch für uns tauchen im Ausland Quellen auf, von deren Existenz hier bisher niemand etwas wusste.
Inwiefern hat sich Recherche in den vergangenen 30 Jahren verändert? -Unsere Recherchen haben sich in den vergangenen 30 Jahren, vor allem seit etwa 10 Jahren, erheblich verändert. Während man früher überwiegend fallbezogen recherchierte (siehe unter 3.), arbeiten wir nunmehr systematisch. Wir warten also nicht mehr ab, bis ein Anfangsverdacht in irgendeiner Form an uns herangetragen wird, sondern wir durchforsten die oben genannten Quellen systematisch. Dies bedeutet, das am Anfang unserer Ermittlungen noch nicht einmal feststeht, ob wir auf eine bisher noch nicht bekannte Straftat stoßen und erst dann mit den Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Täter beginnen, wenn dies der Fall ist.